ein spaziergang mit skopje
sie haben dir den plan aufgetischt:
optimierung bis 2014.
dich in ein korsett gesteckt,
dich nicht gefragt,
rot mit filigranen sonnen bestickt.
die schnüre festgezogen,
die stäbe hart wie säulen,
die geschichte stützen müssen.
deine gesichter überschminkt mit
ma – ke – do – ni – ja.
dein haar zur löwenmähne frisiert,
darauf ein diadem aus friedenstauben,
eisblau funkelnd.
jeder deiner zähne mit einer inschrift vergoldet.
deine füße in schwere stiefel gesteckt,
die sohlen aus gründungsmythen.
barocke rüschen aus polyester ranken sich um deine schultern,
fontänen aus tüll ergießen sich aus deinem kleid
und erstrahlen in wechselnden led-farben.
in deinen kontaktlinsen schillert
das ewige feuer der gefallenen helden
der nation.
in der rechten hand das schwert,
in der linken die bibel,
mit in stahl gestanzten alt-kyrillischen lettern.
sie haben dich hoch zu ross gezogen,
deine zunge gezügelt.
sing lieder von goldenen sonnen!
vom verlorenen, ägäischen meer.
solange der nachbar nicht hört,
wen die statue meint.
alex. den großen. und so.
ich schau dir in die augen und gestehe,
ich kenne dich nicht.
bin nur eine möchtegern-skopjanka mit reiseführer
aus der westlichen diaspora.
„schönen urlaub”, kommentierst du
nicht ohne zynismus
und ich hab verstanden, dass du dich an mich erinnerst.
du hast mich schon lachen, weinen, kotzen sehen,
kennst meine fragen.
„moin, migrationshintergrund”, antworte ich,
„tursko kafe trinken gehen?”
ich mustere dein gesicht als du den kaffee schlürfst,
in der stara čaršija.
erkenne tiefe falten hinter glitzerner schminke.
du zählst mir deine alten namen auf
und wessen fahne du schon tragen musstest.
du zeigst mir deine brandnarben
und die armbanduhr, die immer auf 5 uhr 17 steht,
soll an knochenbrüche erinnern.
wir gehen spazieren, am vardar entlang
und du erzählst mir von hunger,
von deinem kleiderschrank
voll abgewetzter unterhemden,
sauber gefaltet
neben den neuen rüschenkleidern.
sie haben schon laufmaschen.
als wir am ufer sitzten,
streifst du einen puffärmel ab,
zeigst mir den tätowierten punk:
die wut, die fäuste,
die ausrufezeichen,
die eingekreisten a’s,
spuren von quietschpink und regenbögen.
unter deinem großen reifrock, in einer tasche,
bewahrst du den koran
und sprichst eine sprache, die ich nicht verstehe,
etwas leiser.
und dann wieder leuchten die kontaktlinsen
und teile von dir lieben die rüschen,
die sonnen, den kitsch
und dann wieder…
du verabschiedest mich am flughafen.
ich schaue dir in die augen und gestehe:
ich kenne dich noch lange nicht.
aber weiß, du bist mehr als tüll und stolz.
deine augen sind müde,
dein humor wach.
„schau mich an, meinst du nicht”,
beginnst du nicht ohne zynismus,
„mir fehlen nur noch mikeymaus-ohren?”
ich muss kichern als ich winkend am check-in stehe.
„ja, nur noch mikeymaus-ohren.”
Paula Balov, 2014